Die Definitionen Europas in ihrer Relation zum Begriff der Migration sind von voraussetzungsvollen historischen wie aktuellen Identitätskonstruktionen abhängig. Die Bestimmungen des „Eigenen“ und „Fremden“ durch räumliche Grenzziehungen prägen zu Beginn des 21. Jahrhunderts weniger nationale Konzepte, sie sind vielmehr in den diversen Argumentationsmustern des Europa-Diskurses virulent. In den sich auffällig lokal bzw. regional formierenden Protestbewegungen gegen Migration wie Globalisierung spielt die dezidiert gegen “außereuropäische Kulturen“ gerichtete Aggression eine zentrale Rolle. Aber auch in der Grenzsicherung der Europäischen Union und in der Verurteilung islamistischer Terroranschläge und Gewalt wurde und wird auf eine „kulturelle“ europäische Identität im Sinne universalistisch wirksamer Wertsetzungen der europäischen Aufklärung – Demokratie, Toleranz, Selbstbestimmung, Ökonomie – rekurriert. Diese sind weiterhin auf ein räumlich verankertes Selbstverständnis angewiesen.
Angesichts der aktuellen Offenlegung einer mangelnden Einheit und Identität Europas brechen nur scheinbar Konnex und Verankerung des Wiedererkennbaren und Identischen in nationalen, regionalen wie auch kontinentalen Kollektivierungsmustern zusammen. Der hegemoniale Gestus der Selbst-Ermächtigung und Selbst-Bestätigung gegen die aus dem „außereuropäischen“ Raum Fliehenden legitimiert sich zunehmend über den Kultur-Begriff selbst – eine Entwicklung, zu der sich die nach ihm benennenden (Kultur-)Wissenschaften verhalten müssen. Während „Europa“ in seiner affirmativen, identitätsstiftenden Zuschreibung wieder an Wert verliert, wird der Kultur-Begriff im aktuellen politischen Diskurs präsenter. Dabei geht es jedoch weiterhin um räumliche Verankerungen der jeweiligen Identifikation, sei es in Sprache, Kollektivierung, Erinnerung oder emotionaler Bindung.
Migration und Europa in kulturwissenschaftlicher Perspektive
Zweite Jahrestagung der Kulturwissenschaftlichen Gesellschaft (KWG)
6. bis 8. Oktober 2016 an der Universität Vechta
Panel: Übersetzte Figurationen. Räumliche Entwürfe europäischer „Kultur“ (Leitung: Ulrike Steierwald)
Siehe auch: Transiträume der Flucht auf www.literaturkritik.de
und
Ulrike Steierwald, « Europa – Heimat als Groteske », Germanica [En ligne], 56 | 2015, mis en ligne le 30 septembre 2017, consulté le 24 août 2019. URL : http://journals.openedition.org/germanica/2903
1046: Finis.
Audio/Video2019 jährte sich der Todestag des Schweizer Autors Hermann Burger zum dreißigsten Mal. In der Vorlesungsreihe „10 Minuten Lyrik. Der Dichtung eine Gasse“ (Leuphana Universität Lüneburg) antwortete ich Burger mit seinen eigenen Worten und in der für seine Dichtung spezifischen logischen Konsequenz: „Aber du bist nicht tot.“ [Aus: „Der Stumme Bruder“, Rauchsignale – Lyrikanthologie von Hermann Burger, 1967]
Schatzhäuser – Zur Paradoxie offener Systeme
Audio/Video, Vorträge & VeranstaltungenIn der Reihe „Konstellationen“ der Klassik Stiftung Weimar: Vortrag über die Profilbildung von historischen Sammlungen unter dem Aspekt der Paradoxie offener Systeme. Das Kurzinterview im Anschluss des Vortrags (Reinhard Laube, Herzogin Anna Amalia Bibliothek) als Video : > Video
Theorie und Geschichte der Moderne
LehreNeuer Master-Studiengang an der Leuphana Universität in Kooperation mit dem Hamburger Institut für Sozialforschung (HIS).
Literaturwissenschaftliche Aspekte sind in diesem neuen Studiengang insbesondere einer Geltendmachung von „Theorie“ gewidmet. So different und indifferent sich die Theorien der Moderne zeigen, sie verweisen alle auf einen der Moderne selbst inhärenten und sie bestimmenden Aspekt – nämlich den der Theorie. Denn jede Theorie reflektiert das Faktische der Praxis in der Spanne des Möglichen. Theoria cum praxi: Die auf die Moderne zielenden Strömungen der europäischen Ideengeschichte sind strukturell durch dieses reflexive Moment eines Spannungsverhälnisses bestimmt. Es führte in den sich ausdifferenzierenden Wissenschaften zu sehr disparaten Entwicklungen und machte „die Moderne“ seit dem Ende der 1960er Jahre auch zu einem zentralen Begriff der Sozial- und Kulturwissenschaften weltweit. Der Studiengang zeichnet diese unterschiedlichen historischen wie aktuellen Herangehensweisen nach und macht sie für „eine“ Theorie der Moderne fruchtbar.
Das HERZ thesaurieren
Audio/Video, Vorträge & Veranstaltungen– so war das initiierende Kolloquium für ein Projekt überschrieben, das 2018 im neuen Zentralgebäude der Leuphana Universität (Libeskind) seinen Anfang nahm. Ziel dieses Künste und Wissenschaften transdisziplinär zusammenführenden Projektes ist ein digitaler „Thesaurus literarischer Sprachfiguren und Bildbegriffe“, ein polydimensionales Universalmodell der sprachlichen Möglichkeitsräume der Kunst.
Teilnehmer/innen der ersten offenen Runde waren Nora Gomringer, Felicitas Hoppe, Noémi Kiss, Lilian Robl sowie Wolfgang Kemp (Kunstgeschichte), Yvonne Förster (Philosophie), Gerhard Lauer (Digital Humanities), Barbara Naumann (Literaturwissenschaft), Ruth Neubauer-Petzoldt (Literaturwissenschaft), Eveline Goodman-Thau (Jüdische Religions- und Geistesgeschichte), Achatz von Müller (Geschichte) und Ulrike Steierwald (Literaturwissenschaft). Die folgende audiovisuelle Dokumentation in 16 Teilen ist nicht nur eine Einführung in das Projekt, sondern auch eine vielstimmige Modulation des Bildbegriffs HERZ und seiner Figurationen, in deren dynamischen wie polyvalenten Bestimmungen sich bereits exemplarisch erste Realisierungsmöglichkeiten eines Thesaurus – d.h. eines „Schatzhauses“ – sämtlicher Figurationen und Bildbegriffe in deutscher Sprache abzeichnen.
Was ist „gute” Lehre? – If it’s really really real!
TexteAls sich die Leuphana, eine der kleinen und jungen Universitäten in Deutschland, vor etwa zwei Jahrzehnten neu definierte, stand der Wille zu besonderer „Qualität“ einer interdisziplinär ausgerichteten Lehre im Mittelpunkt. Der Bologna-Prozess wurde im Unterschied zu anderen Hochschulen modellartig gefasst und führte zu einer umfassenden Neustrukturierung der Lüneburger Universität. Nicht nur die vier Fakultäten Bildung, Kultur, Nachhaltigkeit und Wirtschaft, sondern insbesondere die fakultätsübergreifenden Schools – College, Graduate und Professional School – sollten eine interdisziplinäre wissenschaftliche Ausrichtung in Lehre, Forschung und Transfer sowie ein Zusammendenken dieser drei grundlegenden universitären Aufgabenbereiche in allen Studiengängen garantieren, vor allem im Bachelor.
Das sogenannte Leuphana-Semester ist für die Studienanfänger/innen der Einstieg in die Wissenschaft. Alle Studierenden haben im modularen Lehrangebot des ersten Semesters dasselbe fächerübergreifende Wahlprogramm, das die unterschiedlichen Methoden, Denkweisen und Verstehensprozesse der Wissenschaften grundlegend vermitteln soll.
Das College der Leuphana wird 2020 dreizehn Jahre alt – eigentlich eine gute Zeit, um erwachsen zu werden. Leider gibt man an deutschen Universitäten guten Projekten kaum eine Chance, aus der Pubertät endlich in ein nachhaltigeres Stadium des Erwachsenseins zu treten. Jedenfalls lohnt es, zurückzublicken und die mit dem Studienmodell verbundenen Ideale „guter“ Lehre nochmals hinsichtlich ihrer Tragfähigkeit zu reflektieren.
Text lesen: „Was ist gute Lehre“
Groteske Figurationen Europas
Texte, Vorträge & VeranstaltungenDie Definitionen Europas in ihrer Relation zum Begriff der Migration sind von voraussetzungsvollen historischen wie aktuellen Identitätskonstruktionen abhängig. Die Bestimmungen des „Eigenen“ und „Fremden“ durch räumliche Grenzziehungen prägen zu Beginn des 21. Jahrhunderts weniger nationale Konzepte, sie sind vielmehr in den diversen Argumentationsmustern des Europa-Diskurses virulent. In den sich auffällig lokal bzw. regional formierenden Protestbewegungen gegen Migration wie Globalisierung spielt die dezidiert gegen “außereuropäische Kulturen“ gerichtete Aggression eine zentrale Rolle. Aber auch in der Grenzsicherung der Europäischen Union und in der Verurteilung islamistischer Terroranschläge und Gewalt wurde und wird auf eine „kulturelle“ europäische Identität im Sinne universalistisch wirksamer Wertsetzungen der europäischen Aufklärung – Demokratie, Toleranz, Selbstbestimmung, Ökonomie – rekurriert. Diese sind weiterhin auf ein räumlich verankertes Selbstverständnis angewiesen.
Angesichts der aktuellen Offenlegung einer mangelnden Einheit und Identität Europas brechen nur scheinbar Konnex und Verankerung des Wiedererkennbaren und Identischen in nationalen, regionalen wie auch kontinentalen Kollektivierungsmustern zusammen. Der hegemoniale Gestus der Selbst-Ermächtigung und Selbst-Bestätigung gegen die aus dem „außereuropäischen“ Raum Fliehenden legitimiert sich zunehmend über den Kultur-Begriff selbst – eine Entwicklung, zu der sich die nach ihm benennenden (Kultur-)Wissenschaften verhalten müssen. Während „Europa“ in seiner affirmativen, identitätsstiftenden Zuschreibung wieder an Wert verliert, wird der Kultur-Begriff im aktuellen politischen Diskurs präsenter. Dabei geht es jedoch weiterhin um räumliche Verankerungen der jeweiligen Identifikation, sei es in Sprache, Kollektivierung, Erinnerung oder emotionaler Bindung.
Migration und Europa in kulturwissenschaftlicher Perspektive
Zweite Jahrestagung der Kulturwissenschaftlichen Gesellschaft (KWG)
6. bis 8. Oktober 2016 an der Universität Vechta
Panel: Übersetzte Figurationen. Räumliche Entwürfe europäischer „Kultur“ (Leitung: Ulrike Steierwald)
Siehe auch: Transiträume der Flucht auf www.literaturkritik.de
und
Ulrike Steierwald, « Europa – Heimat als Groteske », Germanica [En ligne], 56 | 2015, mis en ligne le 30 septembre 2017, consulté le 24 août 2019. URL : http://journals.openedition.org/germanica/2903
Antrittsvorlesung „Wie anfangen?“
Audio/Video, TexteIn Erweiterung erschienen im Verlag Duncker & Humblot, 2016 >> Mehr
Der niemals begonnene Beginn ist der Albtraum des Autors. Würde er sich schlicht in die mythologische Tradition der ewigen Wiederholung des schon Gesagten, schon Geschriebenen einreihen, wäre sein Selbstverständnis als Urheber und Schöpfer in Frage gestellt. Eine ,,Antritts“-Vorlesung hingegen gibt durch den Ritus des Antretens, des Eintretens in die lnstitution der Universität einen Rahmen vor. Mit den literarischen Entwürfen des Anfangs haben es die Schriftsteller/innen seit der Geburt des freien Autors im 18. Jahrhundert und der Loslösung von den traditionsreichen historischen Regelpoetiken schwerer. Die Antrittsvorlesung skizziert Strategien und Riten, die das erste, leere Blatt dennoch immer wieder füllen.
Così fan tutte
TexteLiterarische Übersetzungen: Ein Versuch in zwei mal zehn Minuten
Mozart/da Ponte: „Soave sia il vento“ /
Thomas Kling: menschen gedenken eines menschen
, in der Reihe „Zehn Minuten Lyrik“
>> Text lesen
Literarisierungen im Bewegungsmodus des Reisens
Neuerscheinung, Vorträge & VeranstaltungenJOHANN GEORG KEYSSLERS NEUESTE REISEN (1740)
„Ehe der Rhein zu seinem sehr steilen Schuß kommt, ragen hin und wieder viele Felsen aus dem Grunde hervor. Beym Falle selbst theilt er sich in drey Flüsse, welche durch ihren grünen Grund und ihr schneeweißes Strudeln dem Zuschauer eine angenehme Augenweide, hingegen durch das Brausen seinem Gemühte sowol Bewunderung als Entsetzen verursachen.“ – Nein, diese Passage über den Rheinfall bei Schaffhausen ist kein Ausschnitt aus Wilhelm Heinses vielzitierter Beschreibung in seinem Reisetagebuch von 1780, sondern entwirft eine theatrale Szenerie aus den vierzig Jahre zuvor erschienenen Neuesten Reisen von Johann Georg Keyßler. Diese im 18. Jahrhundert meist rezipierte Reisebeschreibung „durch Deutschland, Böhmen, Ungarn, die Schweiz, Italien und Lothringen“ entspricht nicht den durch die Literaturwissenschaft konstruierten gattungspoetologischen Standards. Literaturgeschichtlich werden Anschaulichkeit und narrative Vergegenwärtigungen von Rekonstruktionen reisend erfahrener Räume erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts verortet. Die seit der Jahrhundertmitte expandierende, umfangreiche Reiseliteratur-Produktion im Geiste der bürgerlichen Bildungsreise verführte dazu, das frühe 18. Jahrhundert und damit die Entstehungszeit der Keyßlerschen Reisen gattungspoetisch als „Vorgeschichte“ des literarisierten Reisens im engeren Sinne und damit auch den Text als nicht literarisch zu betrachten. Als Lehrer und Begleiter auf der aristokratischen Grand Tour vollzieht Keyßler zwar keine „literarische Reise“ im Sinne der bürgerlichen Individuation des Bildungsromans. Aber wie in keinem anderen Bericht dieser Zeit kann hier das vom Modus des Reisens ausgehende Denken der Erzählung, des Entwurfs, der räumlichen Bewegung nachvollzogen werden, das erst viel später – an der vielbeschriebenen Epochenschwelle um 1800 – zum Konstrukt sinnlicher, individueller Erfahrung werden wird.
Ulrike Steierwald:
Bewegte Betrachtung. Zur Literarisierung des Reisens. Vortrag auf dem 25. Germanistentag 2016, 25.-28. September 2016, Bayreuth / Panel: Erfahren, erspüren, empfinden: Techniken der sensuellen Vergegenwärtigung in der Reiseliteratur.
Erschienen in:
Keyßlers Welt. Europa auf Grand Tour, hrsg. von Achatz von Müller, u.a.. Göttingen: Wallstein 2018, S. 229-254.
Bodies revisited –
Vorträge & VeranstaltungenWiderständige Körper
Vortrag auf der Tagung „Bewegende Körper – Bodies in Motion“
3. Jahrestagung der Kulturwissenschaftlichen Gesellschaft
Veröffentlichung:
Against Metaphor – Against Interpretation: Widerständige Sprachfiguren der Verkörperung. In:Literatur in der Medienkonkurrenz: Medientranspositionen 1800 -1900 – 2000. Dörr, V. & Goebel, R. J. (Hrsg.). Bielefeld: Aisthesis Verlag 2018
Widerständige Körper