Leuphana Universität Lüneburg, Sommer 2024

Ästhetik – Rhetorik – Mimesis (Vorlesung)

Eine Einführung in diese drei für die Künste konstitutiven Paradigmen wird zum Ausgangspunkt für das wissenschaftlich begründete Lesen sowie das Sprechen und Schreiben über Literatur.

Komplementär zur Vorlesung des Moduls werden Wahlpflichtseminare angeboten, die die Anforderungen an das literaturwissenschaftliche Arbeiten, die Recherche, die Formulierungen erster „Forschungsfragen“ und den Aufbau und die Konzeption wissenschaftlicher Argumentation vermitteln.

Die zur Vorlesung gehörenden Wahlpflichtseminare im Sommer 2024:
Dr. Katrin Dammann-Thedens: Literatur im Wechselspiel zwischen Bild und Schrift
Dr. Svenja Frank: Grundfragen des Erzählens
Dr. Sarah Steidl: Gedankenflieger – Philosophieren mit Kindern
Prof. Dr. Ulrike Steierwald: Real Humans – Künstliche und Künstlerische Intelligenz
Laura Wohlmuth M.A.: Pandemien in der Geschichte der Literatur

Real Humans – Künstliche und Künstlerische Intelligenz (Seminar)

Künstliche Intelligenz ist in aller Munde. Sie ist hundertprozentig durch Sprache bestimmt und kommunizierbar. Selbst bilderkennende und –gebende Verfahren sind sprachlich programmiert. Diese, nur scheinbar einfache, Tatsache wird in den aktuellen Diskussionen meist übersehen oder verdrängt. Sie drehen sich um Spekulationen über die weiteren technischen Entwicklungen und ihre kritischen oder affirmativen Bewertungen. Vermeintlich geklärt scheint dabei auch die Frage nach dem spezifisch „Menschlichen“ im Vergleich zum „Künstlichen“ – man gebe nur die Frage „Was ist spezifisch für den Menschen im Vergleich zur KI?“ in ChatGPT ein, und das System sichert dem:der Fragenden sofort seine Einzigartigkeit zu ;-)
In diesem Seminar stehen Fragen nach den grundlegenden sprachlich-anthropologischen Aspekten der hochleistungsstarken, maschinell- digitalen Intelligenz im Mittelpunkt. Denn das Interessante ihrer Entwicklung liegt insbesondere in der Interaktion wie Spiegelung zum „Menschlichen“, das in keiner Weise als ein gesicherter, ethischer Maßstab angenommen werden kann. In der Kulturgeschichte der Künste wurde das Phänomen der künstlichen „Real Humans“ bereits seit Beginn der europäischen Neuzeit verhandelt, ja diese vielleicht wirklich anthropologisch zu nennende Grundproblematik findet sich auch und anders realisiert in vormodernen und außereuropäischen Kulturen.
Was lässt sich heute aus der Qualität und sich verselbständigenden Produktivität der KI für die Phänomene des Bewusstseins, des Denkens, Erlebens, leiblichen Empfindens, insbesondere aber für den (historischen?) Anspruch des Menschen auf Selbständigkeit, Kreativität und den Begriff der Freiheit ableiten? Sind die Leistungs- und auch Bildungsziele in den gegenwärtigen gesellschaftlichen Systemen, die die Optimierungsprozesse der KI ja hervorgebracht haben, vielleicht zu überdenken?
In drei Diskursfeldern (1. Das ANDERE: Sinne – Situierung – Intraaktion / 2. HELL / HAL 9000: Wahrheit – Lüge – Macht / 3. KÖRPER: Maschinen – Digits – Leiblichkeit) werden wir uns anhand von literarischen Texte und Filmen aus Geschichte und Gegenwart mit der Künstlichen Intelligenz im wahrsten Sinne des Wortes auseinandersetzen.
Diese Seminarankündigung wurde nicht durch KI produziert …

Gesetz und Übertretung – Heinrich von Kleist (Seminar)

Kleists fiktionale Texte sind von der Frage nach dem Faktischen, nach Wahrheit und Lüge durchdrungen. Doch was ist in der Wahrnehmungsmöglichkeit des Menschen „der Fall“? Wer oder was können Gerechtigkeit, Hoffnung, Schönheit oder Liebe in ihrer unwiderlegbaren Faktizität begründen? Kleists Dichtung öffnet die Spannweite oder auch den Abgrund einer poetischen Sprache, die beim Versuch einer Sichtbarmachung dessen, was der Fall, aber verborgen ist, Gestalt annimmt. Seine Literatur legt eine kriminologische Spur, deren offenes Ende die radikalen, zerstörenden, paradoxen bis grotesken Konsequenzen miteinschließt, die im unverbrüchlichen Festhalten am Wahrheitsanspruch des Wirklichen liegen. Die um 1800 meistdiskutierte Frage nach der Verbindlichkeit der Empirie, also einer menschlich-sinnhaften Wahrnehmungs- und Urteilsfähigkeit des Menschen, hat in ihren juristischen, politischen und ethischen Auswirkungen nichts an Brisanz verloren. In Kleists gnadenlosen Konflikten zwischen Gesetz und Übertretung, in Krieg, Gewalt, Verbrechen und Strafe, bleibt der Begriff der Freiheit ein uneinholbarer Fluchtpunkt des Humanen. Dessen Infragestellung oder Befestigung bestimmt bis heute die Geschichte des Menschen.