Kulturakademie der Studienstiftung, 3. -10. September 2023, Weimar
(Ulrike Steierwald / Lilian Robl)

„Besonders schwer / wiegen Gedichte nicht. / Solange der Tennisball steigt, / ist er, glaube ich, leichter als Luft.“ Mit der poetischen Ironie und Leichtigkeit einer konkreten, geerdeten Sicht auf die materiell-physische Konditionierung der Lyrik spielt Hans Magnus Enzensberger in seinem Gedicht „Leichter als Luft“ auf eine mit den ätherischen Himmelssphären (griech., αἴθειν: brennen, leuchten) verbundene Geschichte des transzendentalen Denkens und eines „hinan“ ziehenden Überwindungsgestus der Künste an. Dabei können die im wahrsten Sinne des Wortes durchsichtigen Sprachbilder des Lichts und des klaren Himmels auf eine Fülle antiker Entwürfe und spannungsvoller, kontroverser Weltbeschreibungen in der Frühen Neuzeit zurückgreifen, die in keiner Weise transzendierend mit der Möglichkeit einer Immaterialität argumentieren. Sie stehen zwar im Kontrast zur Entwicklung der mechanistischen, experimentell wie analytisch verfahrenden Naturwissenschaften des 19. Jahrhunderts, die das Gasförmige als handhabbare Masse verwertbar zu machen wussten, wirken jedoch in den Künsten wie in den entstehenden Geisteswissenschaften weiter. Die Verfügungen über die Luft und das Atmen in den ökonomischen, sozialpolitischen und militärischen Prozessen der Moderne erfordern in den Künsten und Kulturwissenschaften der Gegenwart wiederum andere, kritische Positionen jenseits anthropozentrischer, instrumenteller oder esoterischer Erklärungsmuster.

Unsere Arbeit an der Kulturgeschichte des Flüchtigen (von den Mythen der Antike bis zur Gegenwart) zielt darauf, die energetische wie materielle „Quintessenz“ in den Phänomenen des Atmens und Erstickens, des Fliegens und Fallens, des Lichtes und der Dunkelheit in den Blick zu nehmen und sie unter künstlerischen wie wissenschaftlich-transdisziplinären Fragestellungen auszuloten.

Neuer Master-Studiengang an der Leuphana Universität in Kooperation mit dem Hamburger Institut für Sozialforschung (HIS).

Literaturwissenschaftliche Aspekte sind in diesem neuen Studiengang insbesondere einer Geltendmachung von „Theorie“ gewidmet. So different und indifferent sich die Theorien der Moderne zeigen, sie verweisen alle auf einen der Moderne selbst inhärenten und sie bestimmenden Aspekt – nämlich den der Theorie. Denn jede Theorie reflektiert das Faktische der Praxis in der Spanne des Möglichen. Theoria cum praxi: Die auf die Moderne zielenden Strömungen der europäischen Ideengeschichte sind strukturell durch dieses reflexive Moment eines Spannungsverhälnisses bestimmt. Es führte in den sich ausdifferenzierenden Wissenschaften zu sehr disparaten Entwicklungen und machte „die Moderne“ seit dem Ende der 1960er Jahre auch zu einem zentralen Begriff der Sozial- und Kulturwissenschaften weltweit. Der Studiengang zeichnet diese unterschiedlichen historischen wie aktuellen Herangehensweisen nach und macht sie für „eine“ Theorie der Moderne fruchtbar.